Vom Zweifel. Von Schwäche. Von Wunden die nicht heilen und der Hilflosigkeit beim Helfen. Von der Angst und den Sorgen. Vom Selbstvorwurf und der großen Frage nach dem Warum. Und von der Antwort auf alldies. Von der reinen, physischen Existenz einer Antwort. Wortlos in ihrer allesdurchdringenden Präsenz. Krafträuber und Kraftquelle. Schrecken und Wunder in einer Person. Oder eigentlich in 2.
Es gäbe kein Paradies ohne die Möglichkeit eines Fehlschlags, ohne die ständig leise knurrende Anwesenheit des Scheiterns. Es sind nicht die reifen Kokosnüsse über unseren Köpfen, nicht die Schlangen im Garten, die ausgebuchten Hotels und teuren Flüge, keine Putsch- und Terrorgefahr. Es sind die Winzigkeiten, die uns verzweifeln lassen und vor Angst und Sorge phantasieren, weil sie aufs Spiel setzen, was uns am Größten und Wichtigsten ist, die Nähe zu unseren Kindern. Die Gefahr, dass sich aus einer unbeachteten Kleinigkeit etwas ungemein größeres, schrecklicheres entwickelt.
Aber ab wann zieht man diese Möglichkeit in Erwägung, wegen zweier einstmals läppischer Schnitte an einem Kinderfuss? Nach vielen Tagen unveränderter Existenz fängt es an in deinem Gehirn zu bohren, dir unangenehme Fragen zu stellen, sich dort festzusetzen wie ein lästiger kleiner Parasit. Nicht wichtig, nicht schrecklich. Aber ständig da, lächelnd. Spürbar. Eine wattige Bedrohung aus dem Reich der Phantasie. Oder doch konkreter am Ende?
Viel schlimmer als die Angst vor etwas Konkreten ist die Angst vor dem Konjunktiv. Aber wie bekämpft man eine Möglichkeit? Nun. Wir haben uns alle vier ins Taxi gequetscht und sind über die Holperstrasse nach Thong Nai Pan Yai gefahren. Klingt jetzt zwar einfacher als es war, aber neben manchen Sorgen kann man andere ja auch mal unerzählt lassen.
Die Ärztin war nicht besonders beeindruckt. Das war der Moment, der uns wohl am meisten beruhigt hat. Kein Aufschneiden, kein Rumschneiden. Antibiotische Salbe und zwei Tage nicht ins Meer. Falls es nicht besser wird, Antibiotika. So einfach geht das und die fauchenden Drachen der Ungewissheit sind wieder in ihre Höhlen gejagt und dürfen dort auf die nächste Gelegenheit lauern. Selbst dieses - und wenn es nicht besser wird - verliert jeglichen Schrecken. Die Drachen sind fort und das menschenfressende Biest an Moritz' linkem Fuß ist das was es immer schon war. Zwei kleine Verletzungen, ein wenig entzündet, denn in den Tropen und mit Sand und Meer braucht soetwas einfach länger zum Verheilen.
Und weil nie alles Angst und Bangen ist, und die meisten Drachen nachtaktiv sind, haben wir tagsüber auch was unternommen. Bergsteigen waren wir, der Moritz und ich. Gut gepflastert und in Bergschuhen. Nachdem er sich nach dem ersten Schritt schon vor Müdigkeit von mir schnappen lassen wollte, hat er es dann doch bis kurz unter den Gipfel des Aussichtsfelsens an der Ostseite des Strandes geschafft. Am Schluss habe ich ihn huckepack getragen. Nicht wegen der Müdigkeit, sondern wegen der Ausgesetztheit des Pfades. Im Klettern und Pfadfinden ist der Moritz schon jetzt ein Profi. Wir wurden belohnt mit einer tollen Abendaussicht. Ganz alleine auf dem Fels. Nur das Meer unter uns und riesige Libellen um uns herum.
Einen Ausflug mit dem Taxiboot nach Chaloklum haben wir auch gemacht. Bei ruhiger See und schönen Wetter. Einmal etwas anderes essen. Wie sooft so auch in diesem Fall: italienisch. Ja, manchmal fehlt mir hier eine eigene Küche. Dann waren wir noch in der Pharmacy, wegen der üblichen Verdächtigen.
Das wird alles bald vorbei sein, die Halbzeit haben wir schon erreicht. Ich möchte zum Genießen zurückfinden. Zum langsam sein. Zum Festhalten, Fotografieren und Spüren. Zum Familie sein. Zum gemeinsam festhalten und spüren.